Montag, 15. Februar 2016
Wir folgen dem Tipp von Melanie und Sven auf dem Weg zu ihrem und unserem nächsten Ziel, dem Big Bend National Park, noch einen Zwischenstop in Langtry einzulegen.
Wenn wir die beiden nicht getroffen hätten, gäbe es dieses völlig ab und weg gelegene Nest in unserem Kopf überhaupt nicht.
So, steigt „The Judge“ Roy Bean aus dem nach dem 2. Weltkrieg aus Belgien nach Deutschland schwappenden Comic „Lucky Luke“ aus der Vergessenheit empor und wir stellen überrascht fest, dass dieser Typ hier wirklich gelebt hat.
Der Geschichte nach war er eine schillernde Figur, der die Arbeiter, die die Gleise der Pacific Railway hier durch’s Land schufteten, zuerst als Barkeeper und später dann als „Friedensrichter“ bediente.
Sein Saloon im Visitorcenter vor der Stadt scheint heute noch das Lebenselexier für den Ort Langtry zu sein.
Welch erfolgreiche Karriere über seinen Tod hinaus, bei diesen qualifikatorischen Voraussetzungen!
In Marathon, der Stadt, die hier wie zufällig links und rechts vom Hwy 90 Platz greift und in der Wim Wenders Aufnahmen für seinen Film „Paris-Texas“ filmte, treffen wir Melanie und Sven, mit ihnen am einzigen Supermarkt Kaffee trinkend, zum zweiten Mal wieder.
Danach steigern sich die letzten hundert Kilometer im doppelten Wortsinn, erstens landschaftlich phänomenal und zweitens höhenmäßig unmerklich.
Letztendlich werden wir nicht nur schweinisch nett begrüßt,
sondern fühlen uns auch für unsere Reservierungen der Campgrounds im Big Bend National Park, die wir vorher für eine Woche via Internet gemacht haben, belohnt:
Denn Melanie und Sven folgen uns nicht länger, sie geben es offensichtlich am Eingang zum National Park auf weiter zu fahren. Wir nehmen an, dass sie auch gelesen haben, sämtliche Campgrounds im Big Bend seien belegt.
Als wir dann jedoch im Visitorcenter für unsere Woche einchecken, sehen wir, dass auf allen Campgrounds durchaus noch Plätze frei sind. Wir können die Beiden jedoch telefonisch nicht erreichen. Also schickt Vero ihnen noch eine Mail hinterher…, leider ohne Antwort. Wir wünschen Euch weiter eine gute Zeit! Vielleicht sehen wir uns irgendwann in Lüttich.
Die Berge springen ohne Vorhersage aus der Wüste auf bis zu mehr als sagenhaften 2500 m Höhe,
und unsere letzten 15 km zum Chisos Basin Campground auf mehr als 1500 m Höhe über NN haben es in sich. Unser WoMo nimmt jede Steigung mit Bravour, auch wenn es an zwei Stellen notwendig ist, sie im ersten Gang zu überwinden.
Sind nicht nur gut an diesem magischen Ort angekommen, sondern treffen auch zum Glück auf einen Volunteer, der echt den Überblick hat.
Er erklärt uns wohlwollend, unser WoMo anschauend, dass unsere reservierte Site 31 für uns nicht geeignet sei, viel zu schief!
Aber die 30, die wäre was für uns.
Und wie!
Herrlich waagerechte, geteerte Fläche für unsere rollenden Betten…
und ein mit stark verästelten Bäumen überdachter gemütlicher Picknickplatz für unseren Tagesaufenthalt.
Hier könnten wir mit dem Schwärmen einfach weiter machen, aber wir rekapitulieren jetzt mal einfach nur:
Wetter: permanent blauer Himmel, während des Tages immer zwischen 25 und 28° C.
Nachts nicht kälter als 5-10°. Sternenklares Firmament,
Obwohl na ja, mit etwas Mondlicht als Störfaktor für spätere astronomische Beobachtungen.
Trails: perfekt ausgeschilderte Wege mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden,
wovon Vero und ich einen gemeinsam bewältigen (Chisos Basin Loop Trail)
und ich den zweiten allein gehe (Windows Trail)
Lodge: mit sehr gutem Restaurant, Terrasse und Wifi,
lädt ein zum Breakfast oder, weil wir erst um viertel vor elf auftauchen, ab 11 am zum Lunch (geiler Burger).
Diverse Telefonate und Internetarbeiten lassen sich anschließend beim Bier und Cola gut auf der Aussichtsterrasse erledigen…
Und nicht zu vergessen: Susan im Store und ihre Kollegen am Frontdesk, die uns dabei helfen, den nächsten verbindlichen Übernachtungstermin in Mesa bei Phoenix, Arizona klarzumachen.
(Dazu irgendwann mehr)
Nach vier einmaligen Tagen, mindestens ein Roadrunner immer dabei, müssen wir uns wirklich schweren Herzens von diesem sensationellen Schauplatz der Natur verabschieden und sind uns einig, einen dieser unvergesslichen Momente unseres Lebens erlebt zu haben. Wir haben fertig. Jedenfalls emotional…
Aber real noch nicht ganz, denn 30 km weiter östlich, immer noch im riesigen Big Bend National Park, erreichen wir über die einsame, aber gut ausgebaute Desertroad, wie geplant, den Rio Grande Village RV Park,
nur noch 500 m hoch gelegen, unsere nächste Bleibe.
Die Site Nr. 20 ist für „Welz“ vom 02/19 – 02/22/2016 frei gehalten.
Es wird nicht nur langsam Frühling, sondern wir müssen es wieder einmal betonen:
Wenn es etwas Besonderes in Nordamerika gibt (außer den vielen anderen Außergewöhnlichkeiten), dann sind es diese State- und National Parks mit ihren Campgrounds.
Eine außergewöhnlich gelungene Verbindung von Mensch und Natur…
Wir nutzen dieses Angebot für einen Blick in die Natur während einer kleinen Wanderung auf dem Rio Grande Nature Trail.
Nur hundert Meter von unserem Platz entfernt beginnt er und wir erreichen nach zwei Kilometern den Fluss, der uns in den letzten Wochen immer wieder begleitet hat.
Nur diesmal haben wir sein nördliches Ufer direkt zu Fuß erreicht und könnten glatt ohne Probleme auf verschiedenen Furten durch nur knöcheltiefes Wasser nach Mexico hinüber wechseln.
Hier ist echt „grüne Grenze“. Machen wir aber nicht!
Umgekehrt finden wir aber Anzeichen dafür, dass es hier Grenzgänger von der anderen Seite gibt.
Kleine Souvenirs, bemalte Wanderstäbe und auf Draht aufgezogene Tierfiguren liegen „mutterseelenallein“ an offensichtlich erfahrungsgemäß von Wanderern häufig begangenen Weggabelungen des Trails und weisen mittels einer jeweils daneben stehenden Plastikdose mit eingeschnitztem Deckel darauf hin, dass wir das alles kaufen können.
Die Ware ist „ausgezeichnet“ und der nicht verkaufte Rest wird zusammen mit dem Verkaufserlös heute Abend wohl wieder nach Mexico zurück gebracht.
Die Gedanken an die Menschen, die dieses Geld zum Lebensunterhalt benötigen…
das müssen wir jetzt mal wieder aushalten.
Drei Tage lang, einen davon mit Regen und nächtlichem Gewitter, wir können die Folgen sofort sehen, lassen wir unsere Seele baumeln,
nutzen radfahrenderweise die Wifi-Möglichkeit am Store und lassen uns dabei auch nicht vom Roadrunner oder wie er in Deutschland heißt, von der „Rennnachtigall“ stören.
Sie ist schon fast aufdringlich, wahrscheinlich weil sie weiß, dass hier auf den Picknickplätzen am Store viel für sie abfällt…
ob hier wohl auch etwas abfällt?
…up, up in the sky
Hallo ihr zwei Abenteurer. Viel Freude euch beiden noch im „Schnee“, zwischen Steinen, die euch erscheinen lassen, als wärt ihr auf Gullivers Reisen und in der entrückten Ruhe! Schöne Grüße nach Amiland!
Hi, endlich wieder einmal verlässliches WIFI und Zeit uns über Deinen Kommentar zu freuen. Ja, bei dieser Vielfalt und diesem so vielen „Neuen“ sehen wir nicht nur manchmal so aus, sondern fühlen uns auch manchmal wirklich wie die Zwerge…
Liebe Grüße
Vero & ich
Das sind wirklich tolle Bilder! Und diese mexikanischen „Läden“ mitten im Nichts… Verrückt. Aber ja, die Menschen müssen sich was einfallen lassen.
Auf die Idee, Texas mit dem WoMo zu bereisen, kam ich noch gar nicht. Aber Euer Bericht ist wirklich toll! Ich werde mit das im Herbst überlegen. Danke für die Inspiration!
Liebe Nadja,
wie angenehm, von einer unbekannten Person einen solchen Kommentar zu bekommen.
Wir freuen uns, wenn wir Dir unser Empfinden nahe bringen können und Dir diese Art des „Nacherlebens“ zusagt.
Wir reisen nun schon über 1 Jahr im Wohnmobil und sind inzwischen begeisterte „Fulltimer“.
Liebe Grüße
Veronika & Reiner
Wir haben heute unseren Wohnwagen wieder heil nach Kempten gebracht, nun lese ich gerade den Artikel von Big Bend und fühle mich dorthin zurück versetzt. Ein wunderschöner Park