Unser weiter Weg nach Westen…
Samstag, 5. März 2016
Die Landschaft verändert sich rasant, die ausgedehnten Vorortgrundstücke und Häuser von Tucson bleiben unmerklich zurück, nach 5 km immer mehr Kakteen im Gras, schneller als wir es fassen können,
auf einmal, immer flächendeckender, Kakteen, fast gar kein Gras mehr…
und die riesige Stadt mit ihren mehr als 500 000 Einwohnern ist echt nur um die Ecke.
Unvorsichtigerweise haben wir den Campground „Gilbert Ray“ mitten im Tucson Mountain State Park nicht reserviert.
Ich befürchte (sorry Vero), dass wir null Platz mehr bekommen.
Zu meiner Rechtfertigung: Es ist einfach extrem schön hier, da kann es zu einem Wochenende und heute ist Samstag!!! mitten im Frühling!!! doch gar keinen Platz mehr geben.
Aber sie hat (mal wieder) recht behalten. Vielleicht werde ich es ja auch noch einmal lernen, erst dann ein Platzproblem anzunehmen, wenn es wirklich so weit ist und nicht schon im Voraus.
Die Site Nr. 38 mit Elektroanschluss ist sogar eine der schönsten! Sie liegt fast allein in der äußeren Kurve der Loop, so dass wir nach hinten raus den freien ungestörten Blick in die Kakteenlandschaft haben.
Die besonders faszinierenden Exemplare dieser Spezies heißen hier Saguaros. Das sind die mit den baumlangen Stämmen und den Ablegern an der Seite, in den meisten Fällen insgesamt mindestens zwei Stockwerke hoch.
In dieser Umgebung gibt es sogar Trails, die es uns erlauben einen längeren Spaziergang um den Campground herum zu machen, ohne Bekanntschaft mit Rattlesnakes oder anderem normalerweise gut verstecktem Getier zu machen.
Mal wieder fühlen wir uns wie Zwerge…
Wir leben jetzt für zwei Tage in dieser wunderschönen, skurrilen, dem Herforder Aawiesenpark nun überhaupt nicht ähnlichen Landschaft.
Erst durch eine solche Gegenüberstellung wird uns immer wieder klar, welche unfassbare Erlebniswelt wir hier im Grunde jeden Tag aufs Neue in uns aufnehmen dürfen.
Wie sich herausstellt, sind wir etwas blauäugig, als wir für die Hummingbirds, das sind ganz einfach Kolibris, einen Süßstoffbehälter in Form einer Schnabeltasse aufgehängt haben. Es soll sie hier geben, aber wirklich gesehen haben wir sie nur im Hummingbirdhouse des sehr unterhaltsamen Desert-Museums.
Ein etwas größerer Vogel dort war für die Wölfe, den Puma und den Braunbären wohl keine Konkurrenz…
Die Vielfalt der hier präsentierten Pflanzen und Tiere überrascht uns nicht mehr völlig unvorbereitet, weil Hartmut uns den Tipp gegeben hat, doch aus der Mediathek einen sehr interessanten Dokumentationsfilm über den Saguaro Nationalpark herunter zu laden.
Den haben wir uns gestern Abend angeschaut. Das Leben in dieser Wüste ist wirklich äußerst spannend und brutal…
Nicht nur unter den großen Tieren, sondern insbesondere zwischen Vögeln, Nagern und Schlangen.
Montag, 7. März 2016
Genug der Muße, wir…
…machen einen kleinen Umweg, weil die direkte Backroad und damit der kürzeste Weg nach Phoenix AZ über eine, zugegebenermaßen sehr steile, Passstraße führt, die Vero nicht mag.
Getreu nach unserem Motto, was eine/r von uns nicht mag, wird die/der andere nicht erzwingen…
An dieser Stelle müssen wir erklären, was wir eigentlich in Phoenix AZ wollen, denn nein, wir brauchen noch nicht unbedingt wieder eine neue Großstadt, aber es gibt einen interessanten Grund für diese Stadt oder besser Region:
Schon vor Wochen hat Vero herausgefunden, dass es im Frühling in der Region Phoenix AZ, die neben anderen aus den Städten Scottsdale, Tempe, Mesa, Phoenix, mit 5,5 Mio. Einwohnern auf 500 Quadratkilometern Fläche besteht, das für uns völlig unbekannte, aber hier berühmte „Spring Training“ stattfindet.
Das bedeutet, es treffen sich vor der Baseballsaison 15 Spitzenprofimannschaften zu Freundschaftsspielen, der sogenannten „Cactus League“.
Wir haben unseren Reiseterminplan also so abgestimmt, dass wir am Mittwoch dieser Woche im Scottsdale Stadium die San Francisco Giants gegen die Colorado Rockies sehen werden…
Unser erstes Baseballmatch in natura, und Wikipedia hilft mir dabei, die wichtigsten Regeln dieses Spiels aus dem Zustand des „Buches mit sieben Siegeln“ heraus in meinen Kopf hinein zu bekommen.
Die Tickets für’s Spiel, online gekauft, haben wir schon so gut wie in der Tasche. Müssen nur noch heute Nachmittag im Office des Green Acres RV Parks in Mesa AZ, der für die nächsten Nächte unsere Bleibe sein wird, ausgedruckt werden.
Wenn?
Ja wenn nicht Gina & Jack, die Beiden aus dem Bonita Canyon Chiricahua National Monument Campground, so der offizielle Name, angerufen hätten und uns zu ihren Gästen erklärt hätten:
Erstens zum Essen eingeladen und zweitens sehr lieb angeboten hätten, bei Ihnen auf dem „Parkway“, d.h. vor ihrem Haus zu übernachten.
Mail von Gina:
Good Morning Reiner and Veronika,
Jack is busy at work this morning and asked me to arrange our meeting. Could you take the Valley Metro bus and train to the Phx Sky Train Station at 44th Street and Washington? We will be happy to pick you up and return you there. Please look at this online and I will call you this morning.
Gina
Das wollen wir natürlich sehr gern und sprechen uns am Telefon ab, wie es gehen kann.
Wir nehmen den Valley Metro Train nach Phoenix Downtown, steigen nur einen Block entfernt vom RV Park ein und fragen uns in der City durch:
Wo gibt es die schönsten Geschäfte? Here? Sorry, no Shops only Business!
Restaurants? Here? Sorry, only here and there, but that’s all!
OK. Ein bisschen geschlendert und Häuser geguckt, aber insgesamt von dieser „Insider-Welt“ enttäuscht. Wir wären gern in eine „lebendige“ Downtown eingetaucht, aber das hier: Eher etwas für „Weißhemden“, High heels und „Happy Hour“ in einer der „nach Feierabend Bars“.
Wir nehmen den Bus zur Fashion Square Mall, einer riesigen Einkaufsstadt am Rand von Scottsdale und werden von Gina und Jack dort abgeholt.
Während des Wartens bringt Vero sogar die Bougainville in der Stadt zum Erblühen…
Wir fahren Range Rover und erstmal auf den Camelback,
wow, was für eine Aussicht auf diese von hier aus im Grünen versteckte Stadt
und dann zum Dinner in ein Restaurant, dessen Namen wir in all der Aufregung längst vergessen haben, in dem es jedoch mehr als 20 verschiedene Biersorten zum Probieren und zwei verschiedene Speisekarten, eine mit mexikanischen und eine mit US-amerikanischen Spezialitäten gibt.
Ein herrlich entspannter Abend mit großzügigen Gastgebern…
Am nächsten Morgen ziehen wir wie selbstverständlich zu ihnen um in ihren „Parkway“
Ihre Tochter Claire aus San Diego, die ihre Eltern gerade besucht, lernen wir bei dieser Gelegenheit auch kennen.
Sie leben seit 30 Jahren in diesem wunderschönen Haus in einer herrlichen, parkähnlichen Gegend von Phoenix
mit unverbautem Blick auf den Camelback, das Kamelrückengebirge und einem Original-Basketball Court auf dem eigenen Grundstück.
Es ist mal wieder „zum Heulen schön“.
Klar, dass wir prächtig geschlafen haben.
Jack ist schon um sieben los und macht seinen Job als Anästhesist in einer Klinik. Nach dem Morgenkaffee bringen uns Gina und Claire Richtung in die Oldtown von Scottsdale.
Von hier ist es nur ein Katzensprung zum Stadion.
Hier treffen sich Menschen aus einem Anlass, dessen faszinierender Funke, glaube ich, nicht mehr auf uns überspringen wird.
Fakt ist, dass wir uns nach einer sündhaft teuren Portion Fritten und Fried Chicken, Cindy hatte uns gewarnt, einen handsignierten Baseball, je nach „Spielerwert“ für 65$ – 200$ nicht gekauft haben,
dafür aber eine neue Cap, von meinem Taschengeld natürlich, die zeigt, ich bin beim Springtraining in Scottsdale gewesen.
Letztendlich haben wir uns nach dem zweiten Inning, also nach ungefähr zwei Stunden von drei bis vier Stunden wahrscheinlicher Gesamtdauer des Spiels, fertig schon von der knallheißen Sonne, die uns extrem auf den Rücken springt, aus dem Stadion verabschiedet.
Den Spirit zu verstehen, bei denen die Girls und die verrücktesten Fans regelmäßig kreischend von den Sitzen springen, können wir irgendwie nicht fühlen.
Aber wir finden, schon sehr geduldig gewesen zu sein, denn immerhin konnten wir einen Home Run bewundern.
Er verlor allerdings schon nach geschätzten 30 Sekunden seine Spannung, als klar war, dass dieser Ball in den Zuschauerrängen landen würde. So wurde sehr schnell aus dem Home Run ein Home Walk.
Leider kamen wir nicht in den Genuss, einen Ball zu ergattern, aber das Ringsherum war schon das „Dabeisein“ wert.
auch wegen der Auffrischung meiner Erinnerung an eigene Kindheitsspiele auf der „Teerstraße“, wo ungehobelte Holzlatten oder Reste von Rollladenleisten aus Holz, der Griff wurde in jedem Fall mit dem Messer herausgearbeitet, das von uns „Schlachball“ genannte Spiel, ermöglichten.
Mitte der Fünfzigerjahre gab es sogar schon ausgemusterte, glatt geschlagene Tennisbälle, die vom „Schlagmann“ selbst hochgeworfen wurden, um ihn dann mit dem geschwungenen Schläger so zu treffen, dass er bis nach „Schwichow“, einer Schlachterei, flog. (Konnte niemand wirklich schaffen, aber war natürlich unser Traum…)
Wir verlassen die Arena des Showbusiness und nutzen den kostenlosen Trolleybus Richtung Oldtown Scottsdale, und kommen nach 2 1/2 Meilen Fußweg, unsere Gastgeber können es kaum glauben, bei Ihnen an.
Hatten wir anschließend etwa einen unvergesslichen Abend?
Die Gespräche waren sehr intensiv und angenehm, vom gemeinsamen Grillen auf der Terasse einmal ganz abgesehen und der Wein war einfach fantastisch.
Wir werden später wahrscheinlich viel Besuch aus den USA bekommen. Denn wenn wir alle, bei denen wir bisher zu Gast sein durften, in Deutschland oder zumindest Europa wiedersehen sollten, dann wird es nicht einsam um uns herum…
Wir müssen weiter,
there is still a long way to the beach…