Sonntag, 29. Mai 2016
Jetzt fühlen wir wieder das „Unterwegs-Gen“
Wir cruisen auf dem Hwy 30 zwischen North Platte und Kearney NE, einer gut ausgebauten zweispurigen Landstraße, immer noch so einsam wie an ihrem westlichen Beginn in Wyoming.
Er bringt uns immer weiter durch nicht enden wollende landwirtschaftlich genutzte Gebiete, eine Ansammlung verschiedenster Grün mit langsam zu durchquerenden Main Streets -zwischen viel Himmel und wenig Hügel-
In Elm Creek ist Ankommen:
Wenn sich ein Campground „Sunny Meadow“ nennt, der auch noch von unserem deutschen Nachbarn in Ogallala empfohlen wurde, und es kommt am Abend dann einfach nur Enttäuschung über einen langen Stellplatzschlauch entlang einer noch verlasseneren Straße als oben beschrieben dabei heraus, dann zeigt sich, wie sich unser Wunsch sehnsüchtig auf diesen Namen projiziert hat:
Erstens: Es ist keine Wiese, schon gar nicht mit fantasierten blühenden Blumen und
Zweitens: es scheint auch keine Sonne, sondern der letzte Regenguss kann, wenn wir die wattigen, nach unten durchhängenden Wolken betrachten, noch nicht lange her sein.
Eine „Full Holk up Site“ rechtfertigt die 20 $, die der Bauer für einen solchen Schotterstreifen im „selfchecker-Verfahren“ kassiert, allemal nicht.
Montag, 30. Mai 2016
Sind fürs Frühstück mal wieder abgebogen an diesem Montag:
Das uns entgegen flatternde Flaggenmeer signalisiert, dass in USA heute kein ganz normaler Tag ist.
Sondern „Memorial Day“, was zweierlei bedeutet.
1. Die lebende Bevölkerung gedenkt der toten Soldaten mit örtlichen Gedenkfeiern und eben vielen Nationalflaggen auf allen Friedhöfen, auf denen Soldaten vergangener Kriege, deren es ja viele gegeben hat, beerdigt sind.
Der amerikanische Volkstrauertag sozusagen. Und
2. mit diesem Wochenende, das um den fünften Montag im Mai eines jeden Jahres arbeitsfrei verlängert wird, beginnt offiziell die jährliche Camping- und Urlaubssaison. Das heißt für uns, dass die State-und National Parks und auch die Campgrounds richtig gut zu tun haben und ab jetzt bis zum Labourday im September zumindest an den Wochenenden mancherorts nur durch Reservierungen zur Verfügung stehen.
Wer isst denn überhaupt diesen ganzen Mais, der hier aus fast jeder Pore des Bodens sprießt?
Das Hervorstechende dieser Straße ist aber eindeutig ihr „verlassen vor sich hin schlafen“.
Die Folgen für die hier immer noch lebenden Menschen dokumentieren sich insbesondere in den vergessenen Orten mit ihren stolzen, architektonisch anspruchsvollen Gebäuden.
Eine Familie Zumwinkel hat sich auch verewigt…
Von ehemals sicher lebendigen Schaufenstern sind nur noch müde einheitlich weiße oder schwarze Löcher übrig geblieben. Es gibt kaum noch etwas, wofür es sich lohnen würden anzuhalten. Der Grill, die Tankstelle, die Autowerkstatt, sie alle warten wohl ziemlich vergeblich auf Kundschaft.
Jedenfalls sollen die bekannten in bunten Farben aufleuchtenden Buchstaben der mancherorts zu sehenden „OPEN“ Schilder wohl nachweisen, dass im Inneren doch noch etwas passiert, dass es noch die Bereitschaft, Leben zu leben, gibt.
Als sich jetzt Lincoln, die Hauptstadt von Nebraska, nach dem hier verehrten ehemaligen Präsidenten benannt, vor uns auftut, biegen wir links in den Hwy 6 Richtung Nordost ein.
Unvorstellbar, dass in Deutschland eine Stadt irgendwann einmal „Brandt“oder „Kohl“ heißen könnte.
Oder vielleicht „Merkel“?
Oh, oh, da braut sich in unserer Fahrtrichtung etwas zusammen.
Wenn sich hier schlechtes Wetter ankündigt, dann aber auch nach dem Motto: „Wenn schon, denn schon…“
Was wir zu sehen bekommen, lässt sich kaum beschreiben:
Aus Pfützen auf der Straße werden herunterfließende Bäche, aus Regen werden mottenkugelgroße Hagelkörner und aus Cumulus-Schönwetterwolken werden riesige aufgepumpte und sich auf einen Schlag erleichternde Wassersäcke.
Erst mal stehen bleiben, aber nicht im Tal, sondern rauf auf’n Berg und beobachten, wie’s weitergeht.
…aber trotzdem, es hat was:
Aus dem noch vor einer halben Stunde vorherrschenden sonnigen Tageslicht wird eine intensive, undurchsichtige grau-blaue Suppe, aus der heraus wir nur dann mehr als wenige Meter blicken können, wenn der Scheibenwischer gerade vor den Augen her gewischt hat.
Sie verändert sich über die nächsten Kilometer, je nach Fahrtrichtung, mal durchsichtiger, mal total verschwommen.
Häuser, Felder, Bäume und Straße: alles ist einfarbig vom Regen geschminkt,
bis auf die in dieser Gegend berühmten „Quiltblockmuster“ an den Scheunenwänden.
Diese herrlichen Farben und Formen lassen sich nicht unterkriegen. Jede Farm zeigt stolz ihr eigenes Emblem.
Das für heute geplante Ziel kommt uns nach diesem Unwetter wie ein Traum vor.
„Louisville State Recreation Area“, unsere direkt am See gelegene Site erscheint im gespenstisch gleißenden, vom inzwischen versiegten Regen besprühten Grün des Rasens und der Baumblätter wie frisch gesprenkelt.
Die wiedergekehrten Sonnenstrahlen schicken den Dampf, der noch vor ein paar Minuten in Form von dicken Tropfen vom Himmel kam, postwendend wieder dahin, von wo er kam.
Können nach kurzer Dinner-Verschnaufpause sogar noch unsere abendliche Lieblingshaltung einnehmen: Feuer anmachen, Decke auf den Sessel, ablegen und in die Flammen träumen…
Es ergeben sich ohne weiteres Zutun einfach schöne Bilder.
Dienstag, 31. Mai 2016
Wie schnell fliegt hier unsere Zeit davon! Kaum empfinden wir uns ein klein wenig angekommen in diesem Nebraska, über“fliegen“ wir schon die nicht zu übersehende Grenze zu Iowa, die hier in der Flussmitte des Missouri verläuft.
Und doch, es ändert sich nur wenig.
Die Landschaft ist von Silos, Maisfeldern, Eisenbahnschienen, kleinen Flecken menschlicher Siedlung geprägt, wie gestern, vorgestern und vorvorgestern…
Besonders angetan haben es uns die liebevoll von hohen, generationenalten Bäumen umstandenen Gehöfte, die sich vor den Wetterunbilden des Kontinents auf diese Weise wirkungsvoll zu verstecken scheinen.
Der Hwy 30 zieht sich von West nach Ost quer durch Iowa und trägt nicht umsonst den Titel „Scenic Byway“!
Wir frühstücken auf kleiner Straßenrandfläche, wie üblich nach ungefähr 100 Kilometern spät, so gegen Noon und genießen Baguette, Toastbrot, Käse, Tomaten, Spiegel- oder gerührtes Ei und Marmelade, diesmal auch Schinken und gebratenen Bacon und sind immer wieder erstaunt darüber, dass dieser Platz in Wirklichkeit nicht in Spenge, Enger, Wallenbrück, Bardüttingdorf oder Häger liegt.
Bevor wir unseren nächsten Übernachtungplatz erreichen, verschnaufen wir noch einmal in Woodbine, Iowa. Ruckeln über die höher als die Straße verlegten Schienen und haben das Gefühl, zurück in die Zeit gefahren zu sein:
Hier hat sich seit mindestens fünfzig Jahren nichts, aber auch gar nichts verändert…
Ich würde sagen, wenn’s keine moderne Technik gäbe, müssten die Menschen hier darüber informiert werden, dass der Civil War inzwischen zu Ende ist…
Aber das dürfte die Eisenbahn Ihnen inzwischen getutet haben.
Trotz mehrerer Unterbrechungen in einigen der Quiltshops, hier gibt es wirklich richtig viele, und wie schön, meistens mit Wifi,
sind wir schon angenehm früh in unserer nächsten, herrlich beschaulichen Wohlfühlumgebung „Yellow Smoke County Park“, Denison, Iowa angekommen:
Ungefähr 30 Trailer, Motorhomes und 5th Wheeler sammeln sich zusammen mit uns, spazierengehende Familien, Wanderer und Joggerinnen um den herrlich ruhigen See herum, verbringen bei Sonnenschein in angenehmen Temperaturen und sehen so in kollektiver Entspannung dem zu Ende gehenden Tag entgegen.
Eine Idylle vom Feinsten…
Germany: 6 – Italy: 5