…zwischen 80° und 100°

Freitag, 17. Juni 2016

Wie entspannend!
Wir haben auf unserer Reise immer wieder Tage und Wochen ohne besondere Sehenswürdigkeit, die wir unbedingt beachten müssen, keine große und einzigartige Stadt, keine „höchsten“ Berge oder „tiefsten“ Canyons.
Nur ganz normale Landschaft, wie hier in Indiana, Ohio, Pensylvania, New York State…

Deshalb bleibt Zeit für:
„Du hast schon lange nichts mehr so… darüber geschrieben, was uns so besonders auffällt, was wir so essen, wie’s uns so geht, einfach so zwischendrin“, sagt Vero.

Das meint nichts anderes als:
Wir lieben diesen Alltag, teilen unsere Neugierde, Freude und Überraschung schon bei den kleinsten Besonderheiten, bei kleinsten Unverhofftheiten.

Dazwischen kommen dann solche Gedanken:
Unser Leben ist seit fast anderthalb Jahren irgendwie eine Aneinanderreihung von Umzügen.
Wir müssen zwar unsere Möbel nicht dauernd wieder neu verladen, weil sie sich ja in einem Dauerverladezustand befinden, aber wir als Personen, wir haben mal nachgezählt, sind inzwischen mehr als 200 mal „umgezogen“, also im Schnitt 15 mal im Monat…
Nichts, was außen herum ist, ist normal für uns. Fast alles ist immer wieder neu. Und viel wichtiger für uns ist:
Wir spüren, dass wir uns neu entdeckt haben, fühlen uns „herausgewachsen“ aus einer Zwangswelt…

Jetzt aber ist für heute mal wieder Ankommen angesagt:
Sind inzwischen mitten in einem weiteren Amish County, diesmal in Indiana, gelandet und total überrascht davon, dass der Shipshewana Fairground RV Park einem riesigen Fleamarket mit hunderten von festen Ständen angeschlossen ist, auf dem zu bestimmten Zeiten auf „Teufel komm raus“ gehandelt wird.

Ich finde, dass ist für die technikablehnende Lebensphilosophie der Amish eine unverhoffte aber für die Erkenntnis, wie sehr die verschiedenen Teile der Gesellschaft miteinander verwoben sind, interessante Metapher.

Besonders irritierend ist für uns, wenn wir sehen, dass die Pferdekutsche an der Tankstelle vorgefahren ist und wir in dem Zusammenhang irgendwie an „Daniel Düsentrieb“, diesen hypersensiblen Erfinder bei Walt Disney denken müssen. Und uns natürlich fragen: Wird hier das Pferd getankt?

Unsere Nachfrage bei Leuten, die es wissen müssen, ergibt:
Die Amish tanken an der Gasstation Kerosin in Kanister für ihre Öfen zuhause.
So wird ein Feuer draus!

Außer Pferdehufgetrappel gibt es kaum etwas zu hören und außer zwei bis drei, neben dem Riesenflohmarkt, weiteren Geschäften nichts zu sehen, unter ihnen ein wunderbarer, mit den unterschiedlichsten, feinsten Stoffen ausgestatteter Quiltshop und „husbandwaitingcornerwithwifi“.

Etwas später schon, unser Lieblingsfotoobjekt: ein genialer Sonnenuntergang…

Samstag, 18. Juni 2016

Nach zweihundert Kilometern einsamer Fahrt straight Richtung Osten, die Hwys 6 und 53 sind offensichtlich nur für uns interessant, heißt es:
Wo ist Johnny? Wenn schon das Resort diesen Titel trägt…

Haben ihn nicht zu Gesicht bekommen, dafür hat Vero aber mal wieder eine schöne Campsite am Wasser für uns ausgehandelt…

Ich will auch hier die letzte halbe Stunde, bevor die Sonne sich schlafen legt, nicht verpassen…

Aber die Fotosession wird dadurch unterbrochen, dass gleich mehrere Angler einen Fisch nicht alltäglicher Größe, einen Riesen-Wels, hier heißt er Catfish, der große Aufregung bei mir und den Anglern (in dieser Reihenfolge) auslöst, aus dem Wasser holen.
Der „Spezialist“ nimmt den Fisch doch glatt völlig cool mit dem Schmerz ignorierenden Profigriff, steckt ihm eine Hand ins Maul, mit dem Daumen um den Unterkiefer und zeigt anschließend stolz, dass ihm dieser „Oschi“ seine oberen Schneidezähne mal grade eben in die Finger gesteckt hat. Sie haben geblutet „wie Sau“.

Diesen am Ende einer „Dead End Road“ versteckt liegenden Campground mit vielen Residentials finden wir nach einer außergewöhnlichen Strecke, die uns auf die unscheinbare, aber in Wirklichkeit, herrlich „ruhig gebliebene“ Marblehead Halbinsel im Lake Erie bei Port Clinton am Portage River und das Ganze im Staat Ohio führt.

Sonntag, 19. Juni 2016

Wir verlassen Marblehead über eine lange, aber zu Vero’s Freude nicht hohe Brücke, an manchen Stellen ist sie auch einfach ein langer, langer Damm und verschaffen uns gefahrene Meilen Richtung Cleveland.

Ohne Navi, aber mit meiner Beifahrerin und Scout Navigationskarte auf dem iPad, die auch offline funktioniert, finden wir die schönsten Strecken parallel zur vielbefahrenen Interstate.

Während wir zu kirchlicher „Gottesdienstzeit“ über Land düsen, die Straßen sind wie leergefegt, überraschen uns Vero’s direkte Vorfahren mit ihrem Namenszug und zeigen damit, dass sie offensichtlich schon generationenlang hier leben.

Ohio! Das Land ist fantastisch!

Schluss mit Landschaft… Wir passieren Cleveland, da müssen wir jetzt durch.
Ohne weiteren Aufenthalt, Großstadt ist im Moment nicht so unser Ding.

Irgendwann am frühen Nachmittag findet Vero auf Allstays einen attraktiv klingenden Campground.
Wir haben schätzungsweise noch 20 km „durch Wald und Feld“, erreichen dann Evergreen Lake Campground in Conneaut OH, mit den für uns in diesen warmen Tagen wichtigsten Kriterien: Pool oder Badesee, schön ruhig gelegen und Wifi.

Was wir im Vorfeld natürlich nicht wissen können ist, ob der Badesee auch wirklich ein angenehmer Flecken mit klarem und nicht zu warmem Wasser ist.
Dieses Mal „baden“ wir zwar auch, denn es ist mal wieder „zum Davonlaufen“ warm, aber eben nicht nur die Luft, sondern auch dieses, sagen wir mal, etwas veralgte, miefige und dunkle Gewässer.

Montag, 20. Juni 2016

Irgendwo kurz hinter der Grenze zwischen Pennsylvania und New York State, unserem nächsten der inzwischen, ich glaube, 34 Staaten, die wir durchfahren und/oder gesehen haben, wir cruisen mal wieder auf einer für deutsche Verhältnisse unglaublichen „Rauf und Runter Straße“, gibt sich uns die Vorglühlampe am Amaturenbrett, die normalerweise vor Antritt der Fahrt bei kaltem Motor anzeigt, wann er gestartet werden kann, blinkenderweise die Ehre…

Anhalten, hoffentlich ist nichts mit dem Motor… Bedienungsanleitung rausholen und lesen, keine Idee.

Weiterfahren? Der Motor läuft rund… Weiterfahren!
In der nächsten Stadt, Jamestown, New York State, finden wir AAA, den amerikanischen Automobil Club und fragen uns dort zu den möglichst nahe gelegenen Servicestationen für Foreign-Cars durch.

Wir sind in einer Werkstatt für LKW’s insofern erfolgreich, weil der junge Werkstattinhaber spontan bereit ist, seinen Diagnosecomputer anzuschließen.

„Motorcontrollingproblem“. Was das auch immer heißt, ich denke sofort an unseren Wasserpumpenwechsel und daran, dass damit verbunden, der Zahnriemen aus- und wieder eingebaut werden musste. Hoffentlich hat sich dabei jetzt nicht der Riemen gelockert und damit die Zeitpunkte der Ventilöffnung verstellt. So viel zu meinem laienhaften Verständnis und meiner Befürchtungslage.
10 $ Tip müssen drin sein für seine spontane Hilfe…
Als nächstes, es ist in Deutschland noch „Werkstattzeit“, rufe ich noch unsere Werkstatt in Herford an und sie versprechen, so schnell wie möglich wieder zurückzurufen.
Nach einer Viertelstunde wird’s interessant: Sara hat im Internet recherchiert und herausgefunden, dass die VW’s dieses Signal auch senden, wenn die Bremslichter nicht funktionieren.
Yep! Das ist schnell herausgefunden und tatsächlich: von unseren vier Bremslichtern funktioniert keines mehr.
Jetzt kommen wir der Sache schon näher:
Entweder Sicherung kaputt oder der Bremslichtschalter! Wusste bisher überhaupt nicht, dass es so einen gibt!
Sicherung überprüft, ist in Ordnung… Jetzt kann es nur noch dieser ominöse Schalter sein…

Ich merke es schon: Das wird mal wieder nicht einfach und ich verliere nach schätzungsweise 5 oder 6 Telefonaten mit verschiedenen Werkstätten die Nerven. Habe zunehmend keinen Bock auf deren Vertröstungs- oder Absagestrategien. Ich kann das nicht in ausreichendem Maße als deren Problem verstehen, sondern bekomme immer stärker das Gefühl, ich werde von denen verarscht!

„Sorry, our next possibility for making an appointment is in three! weeks“ oder „we don’t have the right computer to diagnose your problems“ oder „we can’t repair an RV“ oder, oder, oder…

Vero übernimmt cool die Initiative und telefoniert mit verschiedenen VW-Werkstätten. Mit Erfolg, am nächsten Montag, nur noch eine Woche!, können wir morgens um 11:00 in Buffalo, nur 80 km entfernt, vorsprechen…

Was machen wir jetzt? Wo bleiben wir? Lagebesprechung…

Nur noch wenige hügelige, üppig bewaldete und sehr weitläufig bewohnte Kilometer und dann erreichen wir den perfekten Platz für eine Woche chillen…
Pope Haven Campground in Randolph, New York State.

Alles passt, die Leute sind superfreundlich, der Pool und das Firewood optimal, nicht zu kalt, nicht zu warm, nicht zu weich, nicht zu hart.

Und ich lerne ein neues Spiel: DiscGolf. Es wird mit speziellen Frisbeescheiben gespielt und ist deshalb dem Golfspiel ähnlich, weil die Scheiben über eine längere Distanz in ungefähr 3-4 Würfen in einer vorher bestimmten Reihenfolge in Zielkörben platziert werden müssen.
Ich wundere mich nicht wirklich, dass die Spieler nicht zu Fuß, sondern dabei in ihren Golfwagen fahren.
Ich bin dabei!

Wir erleben hier mal wieder die verschiedensten Methoden der Kontaktaufnahme:
Ein wenig Holz vorbei bringen: „Hi, I’m Scott! Nice to meet you!“

Einen kleinen Teller mit Selbstgekochtem: Hi, I’m Lisa! How are you doing today?“

Diesem netten Jungen habe ich unsere Visitenkarte versprochen…

Genial dieser Sommer in New York State…

Waitin for the stoplight switch…°°

Ein Gedanke zu “…zwischen 80° und 100°

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