15. Februar 2018 Natchitoches, Louisiana
unser erster Blick auf diese unaussprechliche Stadt, die älteste in Louisiana mit dem herrlich fremd klingenden Namen Natchitoches (NΛkito:sch) lässt sie für uns so unscheinbar und oberflächlich gleich oder ähnlich wie viele andere Kleinstädte im Süden der USA erscheinen.
Sich generell beiderseits am Cane River ausbreitend, hat sich das attraktive Zentrum, Historic Downtown, doch eher westlich des Ufers Platz erhalten und etwas tiefer eintauchend, springt doch der Funke unserer Bewunderung für dieses Kleinod der Bau- und Konstruktionskunst aus dem frühen 18. Jahrhundert über.
Die Stadt lebt für uns als Durchreisende eindeutig von ihrer Geschichte…
Sie wurde 1714 von französischen EinwanderInnen gegründet.
Ob sie sich noch länger halten wird?
Die Menschen, zumindest die Stadtverwaltung scheint optimistisch in Bezug aufs Überleben im Falle eines Atomschlages gegen ihre Stadt zu sein…
Gibt’s da vielleicht einen Zusammenhang? – Scherherzzzzz! –
beiseite… Wir kennen die Steel Magnolias schon aus New Orleans. Sie sind auch eine historische Besonderheit in dieser Stadt:
Es sind diese alten, gut erhaltenen und kostbar wirkenden eisernen Verzierungen an Häusern, Balkonen, Einfriedungen, die sicher ganz nebenbei, wahrscheinlich aber eigentlich, auch eine statische Bedeutung für die jeweiligen Bauwerke haben.
Die individuelle Kreativität der Schmiede ist auch noch nach 200 Jahren gut erhalten und zu bewundern.
Ich komme an Blumen und am General Store einer Stadt, hier auch noch der Älteste von ganz Louisiana, nicht vorbei und er lässt mich auch kaum los… wow 1863!
Er zeigt, wie viele andere während unserer Reise auch, so sieht es wirklich aus, seine scheinbar unveränderte Vielfalt und Nützlichkeit, in diesem Fall, seit mehr als 150 Jahren.
Viele seiner Werkzeuge, häuslichen- und Umfeldgegenstände oder baulichen Gegebenheiten haben sich nicht nur über die lange Zeit so gut erhalten, dass sie uns gedanklich mitten hinein in das Leben und die Bedürfnisse der vergangenen Zeit bringen, sondern sie wurden wohl auch als auf Dauer wertvoll geschätzt und bewahrt.
Die Haushalts- und Arbeitskultur der Menschen dieser Gegend spiegelt sich in einem solchen Laden, fast schon museal, auf sehr alltägliche, deshalb auch für uns so interessante Art und Weise wider.
Zum Beispiel neben den verschiedenen Hufeisen für Pferde und Maulesel hängt ein Holzbrett in der Form des Grundrisses von Louisiana und darauf sind die im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelten und zum Verkauf stehenden Stacheldrähte zu sehen, deren genereller Zweck uns so erklärt wird:
1. Sie sollen verhindern, dass die Rinderherden bei kälteren Temperaturen in eigener Initiative immer weiter nach Süden ausweichen,
2. sie sollen die mit eigenem Brandzeichen versehenen Tiere von denen der Nachbarn getrennt halten und
3. sollen die Tiere von schon abgefressenen Grasflächen fernhalten.
Viele Erfinder haben sich über die wirksamste Art des Drahtes Gedanken gemacht und ihn hier in riesiger Auswahl zum Verkauf angeboten.
Das nächste Bild erklärt sich fast von allein. Aus der Vermutung wird durch die nebenstehende Beschreibung Gewissheit: Eine Baumwoll-Waage aus 1880 mit einer Höchstgewichtskapazität von 800 Pound, das sind immerhin 362.873896 kg.
Musste erst mal schleppen…
Auf Deutsch nennen wir das profan „Lichtschacht“, mal ehrlich, „skylights“ hört sich doch viel schöner an und die Idee mit den bunten Regenschirmen finden wir auch fantasievoll.
Hier ein eher verkaufsorientiertes typisch touristisches Accessoire:
Ein (Spielzeug)-Brandeisen zum Branding des eigenen Steaks auf dem Teller…
Nach einer guten, um nicht zu sagen, ganz besonderen Stunde, ist die anschließende mit dem Kochbuch oder wie es heißt „Steel Magnolias In The Kitchen“, eine andere:
Neben der Gaumenfreude, die wir uns damit zukünftig bereiten wollen, ist der Kauf des Buches auch eine der Begegnung mit Frauen, die uns in einer sehr persönlichen Art dabei behilflich sind, das beste aus der großen Vielfalt der Bücher über die creolische und Cajun-Küche Louisianas auszuwählen und uns liebevoll die verschiedensten Rezepte zu erklären.
Lassen wir uns mal überraschen, wie wir es hinbekommen, unser erstes Gumbo, diesen berühmten Fleisch- oder/und Fischeintopf Louisianas zuzubereiten.
Dabei läuft nicht nur uns, sondern auch den RatgeberInnen mehr als einmal „das Wasser im Mund zusammen“. Die creolische Gewürzmischung trägt ihrer Meinung nach „unbedingt“, sie nennen es essential, zum Gelingen bei.
Noch am gleichen Nachmittag haben wir das Gefühl, dass es gut ist…
15. Februar Nakatosh Campgrounds, Natchitoches LA
Fahren ist zwar schön, aber wir lieben im Moment sehr das Ankommen, normalerweise.
Der Nakatosh Campground mit self check in stellt sich, wir haben es zu spät bemerkt als eher, um es vorsichtig auszudrücken, sehr gewöhnlicher RV Abstellplatz heraus.
Dazu kommt:
Er liegt auch noch direkt an der LA 6, einem vielbefahrenen Hwy, der sich hier mit der Interstate 49 kreuzt, in unmittelbarer Nähe zu einer Großtankstelle mit entsprechendem Parkplatz. Das stört uns auch noch während nachtschlafener Zeit. Denn die von Ost nach West und umgekehrt strebenden Trucks mit ihren Fahrern verbringen hier zumindest Teile der Nacht.
Wir auch nur Teile…
16. – 18. Februar 2018 South Toledo Bend State Park, Anacoca, LA
Nicht nur deshalb macht es uns immer wieder Spass, in einem State Park sehr in Ruhe zu übernachten und tief und fest zu schlafen. Heute macht es gar nichts, dass Regen und Campfire miteinander konkurrieren.
Es heißt ja auch Wetter und nicht „selbstbestimmte Umgebungstemperatur“.
Dass dieser See über eine Uferlinie von mehr als 2000! Kilometern hat, können wir in unserer kleinen Bucht am südlichen Ende des größten Stausees im Süden der USA überhaupt nicht wahrnehmen. Ich lasse es mir gerne erzählen: Die Staaten Louisiana und Texas haben sich im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts gemeinsam auf dieses Toledo Bend Reservoir verständigt und können sich deshalb heute mitten im See von Süd nach Nord über ihre Grenze hinweg begrüßen.
Hier sind die Fishermen, besonders am Wochenende, unterwegs. Über eine der vielen Public Boatramps mit dazugehörigem Parkplatz lassen sie Ihre fetten Boote zu Wasser und bringen zum Dinner ihre Fangergebnisse mit nach Hause.
19. Februar 2018 Huntsville TX
ist nur deshalb eine Fußnote unserer Reise, weil Vero in einer ihrer vielen Aufzeichnungen über „Sehenswertes“ in USA gelesen hat, dass die Sam Houston Statue eine Größe hat, die nicht zu übersehen ist und weil wir sowieso hier vorbei müssen.
Geben wir ihm die Ehre und das Gefühl, dass allein schon der Sockel, auf dem er steht „übermenschliche“ Größe aufweist.
Irgendwann haben wir einmal beschrieben, dass wir beobachten können, wie wichtig es den Amerikanern offensichtlich ist, der Welt „Größtes, Erstes, Stärkstes, Höchstes, Einziges“ zu sein. Hier haben wir ein weiteres Beispiel dafür:
Sam Houston, erster Präsident der Republik Texas, bestimmt ehemals ein mutiger Mann, tut niemandem mehr weh, sondern dient der bestehenden Ideologie als Demonstration von Größe, Einzigartigkeit, Leistungsbereitschaft, Mut, musste einfach nur nachmachen, Du kannst das…
20. Februar 2018 Paradise Senior Community RV Resort, Woodville TX
Wir haben vergessen darauf hinzuweisen, dass wir inzwischen in Texas angekommen sind, also: wir sind da!
…und die Offensichtlichkeit der Übertreibungen setzt sich fort:
Auf unserer „Eine-Nacht“ Bleibe mit dem völlig daneben gegriffenen Namen „Senioren Paradies Wohnmobilpark“ lässt sich wenigstens gut Boule spielen. Wir kochen und essen gut und bleiben gern bei uns…
20. – 22. Februar 2018 Venice at the Lake RV Park, Conroe TX
…es geht weiter: „Venedig am See“, der Name ist nicht schlecht ausgedacht, liegt wirklich an einem Kanal zum Lake Conroe und die Boote vieler Camper liegen direkt vor ihrem Platz und für den Eindruck den das Wetter hinterlässt, kann ja niemand was.
Auf diesem Platz wird klar, wofür schlechtes Wetter gut ist:
Ich lerne Harry kennen, wir sind eingeladen bei ihm und seiner Frau Kathy zum Bilder gucken. Die Trailertür eröffnet uns ein amerikanisches Wohnzimmer mit Flachbildschirm, durch ein USB-Kabel mit einem IPad verbunden.
Doch auf einmal ist Deutschland präsent, stärker als wir es wollen:
Vero und ich sind auf einmal nahe dran an Harry’s Erlebnissen im Jahr 1976 während seiner Dienstzeit bei der US-Army, die er neben Vietnam und vielen anderen Einsatzorten auf der ganzen Erde für drei Monate in West-Berlin direkt an der Mauer an der Bernauer Straße abgeleistet hat.
Unvorstellbar, dass er damals auf den Auslöser drückte und damit festhielt, wie während dieser Zeit einem 15-jährigen Jungen mit einer Leiter auf der Schulter, die ihm unter Beschuss der Grenzsoldaten der DDR auch noch kaputt ging, wir haben seine Fotos dieser Situation gesehen, die Flucht nach Westberlin gelang.
Frank Kraus, an diesen Namen erinnert sich Harry, wurde anschließend wieder nach Ostberlin zurückgeschickt, weil seine Fluchtbegründung, er wolle nicht mehr in seine alte Schule zurück, den Amerikanern nicht ausreichte.
23. Februar Montgomery TX, Zwischenstation
Es sieht sowas von blogbuster-mäßig aus… Montgomery ist „nur“ Stars and Stripes, Lone Star Banner, Antique-shops, Steakrestaurant, Burgerimbiss, Klischee pur eben. Muss man nicht, aber kann man gesehen haben.
Unser Plan ist: weiter nach Westen über Carmine und La Grange nach Austin, der Hauptstadt von Texas zu kommen. Dazu geht es durch F(arm)land, Ranchland und kleine mehr oder weniger Straßendörfer. Unser Bild im Kopf heißt: tiefe texanische Provinz…
23. Februar 2018 Dixieland RV Park, Carmine TX
Den kennen wir. Waren auf dem Weg nach New Braunfels, TX Anfang 2016 schon einmal hier. Er heißt immer noch Dixieland, wieso ist uns weiterhin schleierhaft.
Es hat viel geregnet und nicht jede seiner Sites ist hart genug, um davon auch ohne Probleme wieder runter zu kommen. Aber unser alter Platz gegenüber vom Bathroom ist erstens gut und zweitens sehr in der Nähe zur Wifi-Antenne. Texan-Style ohne Ende…
24. Februar 2018 La Grange, Texas Quilt Museum
Auf der Fahrt nach Austin, der Hauptstadt Texas freut sich Vero über den Email-Tip von Paul aus Arizona.
Texas Quilt Museum, La Grange TX
Ein prachtvoller Raum und zwei kleine Räumchen mit zauberhaften Arbeiten aus den letzten 150 Jahren amerikanischer Quiltkultur lassen zwei deutsche Touris etwas ambivalent zurück:
Fotografieren verboten!
Die Professionalität des hier ausgestellten Quilting by hand ist einfach unbeschreiblich. Auf dem Foto unten links in der Collage ist die Sensibilität der Stiche durch drei Schichten Stoff hindurch besonders gut zu erkennen, zumal der Quilt in seiner „Farblosigkeit“ erst durch die barock anmutenden Muster, die die handgenähten Nähte hinterlassen, seine Großartigkeit zu Tage fördert.
24. Februar Colorado River RV Park, Barstow TX
Bevor wir uns nun endgültig in der Provinz „festschreiben“, bleiben wir noch eine Nacht auf diesem PARKplatz, wo die meisten unserer Nachbarn wahrscheinlich das ganze Jahr verbringen und freuen uns darüber, morgen in Austin TX anzukommen. Unser nächster Platz ist jedenfalls reserviert.
For sure, we crossed the Colorado River…
Mal wieder super interessante Eindrücke . Bei den Steel Magnolias bin ich mir nur nicht so sicher , ob es sich dabei immer um geschmiedete Exponate handelt. Wenn ich die reichhaltigen Verzierungen
richtig erkenne , könnten es auch gegossene Eisenteile sein. Dagegen spricht allerdings die Bezeichnung STEEL – Magnolias , denn Stahl ist ja das Ausgangsmaterial fürs Schmieden. Wie dem auch sei , diese Bauelemente würden mich auch total faszinieren , wie du dir denken kannst lieber Reiner. Vor allem wegen der damit verbundenen Nostalgie.
Weiterhin alles Gute und liebe Grüße.
Lieber Alfred, lieber Ingenieur,
Du magst völlig Recht haben. Vor allem, wenn wir bedenken, dass uns der Begriff der “Steel Magnolias” in verschiedenen Zusammenhängen immer neu begegnete. (Siehe Kochbuch…)
Er bezeichnet wahrscheinlich auch eine bestimmte Tradtion Louisianas, die wir als “unvergänglich, unverwechselbar, aber auch “unsterblich” vermuten, unabhängig von einem konkreten Material. So viel zu unserer Fantasie.
Lasst es Euch gut gehen, so kurz vor Ostern… Wir wünschen Euch “Frohe…”
Vero und Reiner