Sage Creek

Montag, 10. und Dienstag, 11. August 2015

Ganz zum Schluss dieser Geschichte der beiden Tage berauscht mich der Sonnenaufgang.

Er trifft mich um kurz vor sechs in diesem flachen, über den gesamten Horizont von Nord bis Süd, so weit das Auge reicht unbebauten Land, völlig radikal, unvermittelt, direkt, ungeschützt.
Wolkenlos (bis auf ein bisschen „Dampf“ direkt am Horizont).
An einem ganz genauen Punkt.
Direkt ins Herz!


Was für eine Szene!

Nach der Dunkelheit und Kälte der Nacht eine solche unvergleichliche, revolutionäre Slowmotion-Helligkeit und Wärme!


Ich stelle mir vor, was ich dazu denken würde, wenn ich nicht wüsste, dass sich die Erde dreht.
Denken kann ich dazu nichts.
Fühlen!
Freude, Glück, Dankbarkeit und Kraft.

Er ist hier kein vereinzelt, wegen Regens, Wolken oder Nebels vielleicht an nur 10 Tagen im Jahr auftretendes Phänomen.


An dieser Stelle, im „Sage Creek Campground“ im Buffalo Gap des National Grassland of South Dakota gehört so ein Sonnenaufgang als Beginn eines Traumtages einfach dazu.


Auf einer riesigen unüberschaubaren Fläche ohne menschliche Zivilisation, eben dieses nationalen Graslandes, oder wie wir es als Kinder gelernt haben: der Prärie, verteilt diese Lebensspenderin ihre unbändige Kraft auf alles, ohne Rücksicht auf die jeweilige Verträglichkeit ihrer Energie.

In der gleichen Nacht, nur früher:
Wir sind wohl gegen 1:00 a.m. aufgewacht, haben uns leicht bekleidet, es ist immer noch tierisch schwül, unser Nachtglas mit 7-facher Vergrößerung herausgeholt und dann „die Sterne vom Himmel geholt“.

Die Leuchtkörper am Himmel vereinen sich im Milchstraßenband.
Es schneidet den Himmel wirklich wie eine hell beleuchtete Straße genau über uns von Horizont bis Horizont in zwei Teile, dann die uns bekannten Sternbilder, wie zuhause, weil ja hier auch Nordhalbkugel:
Cassiopeia, die Krone, der große Bär und der kleine Wagen, der Polarstern als Helfer zur Feststellung der Nordausrichtung und krönend wie selten so klar, die Andromeda-Galaxie, gute 2,5 Mio.! Lichtjahre entfernt, mit dem Fernglas sogar als Spirale zu erkennen.
Das Alles ist eben nur so beeindruckend zu sehen, weil keinerlei „Lichtverschmutzung“ den Blick in das einzige, aber eben gewollte, Licht, beeinträchtigt.
Ein unvergessliches Erlebnis, das uns die Relativität unserer eigenen menschlichen Art sehr erleichternd bewusst werden ließ.
Dann kannst du wieder einschlafen!

Aber nur bis zu dem Zeitpunkt am Morgen, wo der oben beschriebene Sonnenaufgang unser Wecker ist und  anschließend der Buffalo, Bison oder Büffel, wie er in meinen Kindheitstagen hieß, wieder da ist,

nachdem wir ihn gestern nachmittag schon lange beobachten konnten, wie er uns in so schätzungsweise 200-300 Metern Entfernung in Ruhe ließ und das im Überfluss vorhandene Gras fraß.


Heute morgen steht er so um 7 Uhr bräsig mitten auf der kreisförmig angelegten Straße

seelenruhig und fast unbeweglich und lässt sich auch nicht von den ihn aufgeregt wuselig, aber mehr oder weniger vorsichtig Abstand haltenden Menschen stören.
Auch nicht von den zwei Autos, die nicht an ihm vorbei können und warten müssen bis er nach einer Viertelstunde unvermittelt abzieht, ab in die Prärie.


Für mich ist es gut, dass es ein Zoomobjektiv gibt. Näher als 50 Meter gehe ich nicht heran, andere schon. Die Bisons können bis zu 60 km/h schnell werden. Ich bin kein Held!

Es geht schon früh am Montagmorgen über die 18 km lange Gravel Road, also ungeteerte Straße, wieder zurück. Wir verlassen diesen herrlichen Flecken, auf dessen Rund von im Durchmesser vielleicht 300 Metern Zelte stehen, am Rand die dazu gehörigen PickUps oder Vans.

Auf einem seitlich etwas abgelegenen Flecken ein Corral mit Pferden, samt den dazu gehörenden Trailern.

Wir bestaunen und beneiden ein wenig die Gruppe der Reiter und Reiterinnen, die diesen besonderen Zugang in die Natur für sich finden können.

Aber auch wir empfinden uns als privilegiert, denn nur ein so kleines WoMo wie unseres durfte diese Straße befahren und damit diesen einmalig herrlichen Flecken wenigstens kurzzeitig „besetzen“.

poor old lonely buffalo…

 

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