Samstag, 12. Mai 2018
„What’s your mileage?“ – ist eine der meist gestellten Fragen, die uns von interessierten Gesprächspartnern (nur Männern) unterwegs gestellt wird.
Wenn wir dann antworten „26“, was bedeutet, wir schaffen mit einem Verbrauch von 1 Gallon Diesel 26 Meilen, ist der ungläubige Blick meist inklusive und die Antwort häufig: „Awesome! – Mine is 10“ (Was nichts anderes bedeutet, als dass sie 2,6 mal so viel Sprit verbrauchen, sprich auf 100 km 23,4 Liter!)
Der Hwy 395 von Lone Pine, California fast bis nach Portland, Oregon misst 1300 km. Wir brauchen 14 Tage für eine Strecke, die wir früher, wenn wir unser Urlaubsziel, zum Beispiel die Insel Korsika, erreichen wollten, an zwei Tagen erledigt haben.
Ein Hoch der Langsamkeit!
Welch ein Privileg, unsere Wohnung immer und überall dabei zu haben, mit 80-90 km/h von Überraschung zu Überraschung und von einem Staunen ins nächste zu fahren.
Wir erreichen nachmittags, ohne an Automaten spielen zu müssen, den
Gold Dust West Casino RV Park in Carson City. (Viele Casinos bieten recht preisgünstige Campings in der Nähe an, manche mit direktem kostenlosen Shuttle Service von Tür zu Tür)
Weil wir immer weiter eine Richtung auf diesem Kontinent verfolgen, die auch nach insgesamt 24 Monaten RVing in USA und Canada für uns absolutes „Neuland“ darstellt, wissen wir zwar, wohin wir gern wollen, aber nicht, was uns jeweils erwartet…
Wir stoßen dabei in Gegenden hinein, in denen wir um Himmels willen niemals längere Zeit leben wollen. Besuchen, Anschauen, Hineinschnuppern, Kennenlernen, na gut, aber dann, lieber weiter…
Unser Eindruck ist, dass die Menschen, die sich entschieden haben hier zu leben, bereit sein müssen, sich immer wieder neu zu erfinden, ihr Geld auf für uns sehr ungewöhnliche, weil unsichere, wir würden sagen „Ich AG“-Manier zu verdienen.
Wir dagegen freuen uns, dass wir zu jedem Monatsanfang unsere Renten auf unseren Konten haben und zweitens, dass unser Hwy 395 zumindest im Moment wieder durch etwas flachere Gegenden verläuft.
„Mensch und Maschine“ werden dabei vor nicht mehr ganz so große Herausforderungen gestellt.
Sonntag, 13. Mai 2018 bis Samstag, 19. Mai 2018
Die südliche Grenze von Carson Valley ist an dieser Stelle gleichzeitig die Grenze zwischen Kalifornien und Nevada und verläuft dabei mitten durch den Topaz Lake, einem herrlich in die ihn umgebenden Berge hinein gestauten, fast hundert Jahre alten See riesigen Ausmaßes.
Es war ein Schild zu früh, hier kommt das richtige…
An dieser Stelle, ziemlich weit im Nordwesten, den Staat Nevada zu durchqueren, ist für uns gewöhnungsbedürftig: Aber Kalifornien, in diesem Moment westlich von uns, gleicht hier eher einem schmalen Handtuch.
Dass wir bald darauf die Stadt Minden, richtig gehört, aber in Nevada gelegen, durchqueren, bleibt ein lustiges Intermezzo ohne die zwingende Notwendigkeit, die Stadt unbedingt auschauen zu müssen… Bis auf, dass wir ganz kurz an das schöne Theater von Minden in Westfalen, Germany denken müssen, das wir lieben…
Es vergeht gefühlsmäßig eine vor allem weidegeprägte halbe Stunde, dauert aber real erheblich länger, bis wir die südliche Stadtgrenze von Reno, Nevada, der kleinen Schwester von Las Vegas, Nevada erreicht haben.
Wir werden von einem pompösen Stadttor begrüßt und stellen überrascht fest, dass der Hwy 395 mitten durch Downtown Reno führt. Das wird eine besondere fahrerische Herausforderung!
Zum ersten Mal ist „stop und go“ eher eine vorteilhafte Möglichkeit dafür, auch als Fahrer „in der Schlange“ etwas von der sich permanent verändernden Silhoutte dieser Glücksspiel-Boomtown mitzubekommen…
Wir haben viele kleine und große amerikanische Städte gesehen und stellen am Beispiel von Reno fest, dass oftmals das gleiche Erfolgsrezept der Stadtentwicklung anzutreffen ist:
„Sogenannte“ Historic Downtowns werden, wenn noch vorhanden, möglichst für Reisende sowie „Stadtkultur“-Interessierte schön gestaltet und erhalten.
Der jeweiligen Stadt werden auf verschiedenen Ebenen Alleinstellungsmerkmale verpasst, zum Beispiel hier für Reno als Werbeslogan „The biggest little City in the World“, der dann promotet wird „auf Teufel komm raus“. Darüber hinaus wird dann dafür gesorgt, dass möglichst viel Geld in die Kassen der Stadt fließt.
Wirtschaftliches Alleinstellungsmerkmal:
Offensichtlich auch keine so schlechte Idee, als Glücksspieldorado und Stadt mit den unkompliziertesten und schnellsten Ehescheidungen in den USA zum Pendent von Las Vegas geworden zu sein…
Ansonsten, darauf zu vertrauen, dass es schon klappen wird, denn „God (will) save America“. Es ist ja ganz offiziell im christlichen Sinn „Gods own country“.
Das war’s dann auch schon mit Nevada, kurz noch das stolze „N“ am Berg vor der Grenze wahrgenommen und schon hat uns California wieder.
Es geht schon locker auf 5 pm zu. Immer nahezu gerade aus. Wir werden pausenlos überholt, der Hwy lässt (theoretisch) 115 km/h zu. Wir nehmen uns Zeit…
Unseren nächsten Übernachtungsplatz finden wir auf dem
Honey Lake Campground, Milford, CA
Er bietet uns eine berauschende Seekulisse mit Bergen und klassischem Abendhimmel als Beruhigungs- und „träumwasschönes“-Ambiente für die ruhige Nacht.
Nahezu unmöglich, alle Veränderungen der Umgebungen, die wir durchqueren, der Gebirgszüge und Täler, der Vegetationsvielfalt und der Einsamkeiten zu beschreiben.
Das beeindruckendste Merkmal jedoch und es wird unsere Erinnerung für immer bestimmen, ist die unübersehbare Vielfalt der endlos vor uns hinfliegenden Himmelsbilder.
Die immer wieder am Wegrand auftauchenden Historic Marker geben uns liebenswert und manchmal auch bedrückend Auskunft über die Einflüsse der in den vergangenen Jahrhunderten hier durchgezogenen, gestorbenen, neue Lebensperspektiven suchenden, sich ansiedelnden Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern, meistens Europas.
Montag, 14. Mai 2018 Lickely Place Golf & RV Resort, Lickely CA
Oregon, the Beaver State, so sein Nick Name (nicht nur Städte haben einen) liegt vor uns und wir wollen heute noch etwas von ihm kennen lernen.
Melita’s Hwy 97 RV Park, Chiloquin OR
die Trucks „knallen“ vorüber. Da nutzt auch die öffentliche Anweisung, dass Luftdruckbremsen an dieser Stelle nicht benutzt werden dürfen, nichts!
Tumalo State Park, Bend OR
…unser Ruhepol in all der Aufregung über unsere neue Entdeckung: Oregon, traumhaftes Land, für das wir, um seine Vielfalt wirklich genießen zu können, mal wieder tief durchatmen müssen.
Tumalo SP ist einer unserer Glücksplätze, nicht nur, weil wir den letzten freien Platz mit Wasser und Elektrik gefunden haben, sondern weil es ein Refugium der Ruhe und Entspannung aus sich heraus ist. Deshalb offensichtlich auch sehr beliebt bei Urlaubern aus allen Ecken des Landes…
Unseren Oregon-Sticker kleben wir besonders gern!
Nachdem wir uns im Visitor Center von Bend über diesen Riesenstaat etwas schlauer gemacht haben, halten wir an der Ausfallstraße noch einmal an, um uns zu sortieren:
Kaum getan, stoppt gegenüber von uns ein Auto. Der Fahrer rennt auf uns zu und fragt uns in akzentfreiem Deutsch, ob wir tatsächlich mit unserem Auto aus Deutschland kämen. Er, Jens, komme ursprünglich aus Germany, lebe jetzt zwar schon lange mit seiner Familie in Oregon USA…
Wir fühlen die ganze Tiefe seiner Sehnsucht, die er im Kontakt mit uns für ein paar Minuten heraus powert.
Die North and South Sisters einerseits und Mount Jefferson, Oregon andererseits, die hier so stolz ihre Spitzen aus der sie umgebenden Ebene recken, begleiten uns auf dem Hwy 20.
Wir haben inzwischen Sisters, Oregon erreicht. OK!! eigentlich wollten wir etwas länger verweilen, aber die Umgebung erweist sich für unsere Empfindung als etwas zu stark auf unseren „Geldbeutel starrend“.
Der Quiltshop Stitchin‘ Post allerdings hat einen sehr bequemen „Ehemann-Begleitsitzplatz“ mit kostenlosem Wifi! Es kann ruhig etwas länger dauern…
So sieht unser nächster Platz von oben aus:
Crooked River Ranch Golf- and RV Resort
und geht als einer der ruhigsten und besonders attraktiv gelegenen RV Parks in unsere Reisegeschichte ein.
Vero will meine Wanderung am Rand des Osborne Canyon entlang nicht mitmachen.
So habe ich, keine „How’re you doin“ Wanderer rings umher, keine Bewunderer geologischer Schönheit, alles ganz für mich allein!
Es ist unmöglich, wenn wir uns so wohl fühlen, schon nach einer Nacht weiter zu fahren. Die Ruhe in einer solchen einzigartigen Landschaft ist für uns in Europa nicht vorstellbar. Wir verlängern…
Samstag, 19. Mai 2018
Die ganze Zeit während unserer heutigen Fahrt Richtung Norden, quer durch Oregon, geht es nur durch „Nichts“, bis wir in Shaniko auf den Rest einer (fast) vergangenen Zivilisation stoßen. Insgesamt, zumindest postalisch, gibt es 13 Blöcke mit Häusern, u.a. ein Postamt, einen General Store, eine Historic City Hall und den Historic Stage Coach Stop.
Das isses an öffentlichen Gebäuden… Hier gibt es, anders als sonst, nur noch die Historic Downtown!
Leer, einsam, trostlos, verloren und trotzdem müssen hier irgendwo noch Menschen sein, die das alles in Stand halten…
Wir verlassen 17 km vor Rufus den Hwy 97 und nähern uns über diverse kleine Straßen, gleichzeitig kurvig und bergig, unserem nächsten Ziel an der Grenze zwischen Oregon und Washington State, die hier vom Columbia River gebildet wird.
Am nördlichen Ufer in Washington zeugt ein großer Windpark erstens von zukunftsträchtiger Energiegewinnung und zweitens davon, dass hier häufig ein kräftiger Wind weht!
Sonntag, 20. Mai 2018
Nach Rufus drehen wir Richtung Westen auf Portland, Oregon zu. Der Verlauf des mächtigen Columbia River ist die Vorgabe des Verlaufs der Interstate 84, auf der es sich eigentlich gut fahren lässt. Wenn dieser heftige Wind uns nur ließe!
Beim Anblick dieser Brücke bleibt aber immer noch genügend Zeit für die Erinnerung an die ehemalige Eisenbahnhubbrücke über den Peenestrom bei Karnin in Deutschland. So ähnlich sieht das Hubmittelstück aus oder hat zumindest so funktioniert, bevor die äußeren Brückenzuwege Ende des zweiten Weltkrieges von der Deutschen Armee zerstört wurden…
Diese letzten Bilder zeigen noch einmal, wie vielfältig die Blickwinkel auf unsere Umgebung immer wieder sind. Sie reichen von Gedanken an Deutschland über die herrliche Aussicht auf den mit mehr als 3400 Metern höchsten Berg Oregons, den Vulkan Mount Hood, eine der beeindruckenden Straßenbrücken von Oregon nach Washington, das riesige Wasserkraftwerk The Dalles Dam oder einfach nur wunderbare Frühlingsblumen auf dem Rastplatz an der Interstate.
For today we’re done.
Wieder mal herzlichen Dank für die umfangreichen Schilderungen der eindrucksvollen Landschaften,Städte /Orte und Begegnungen : in diesem Fall der mich besonders berührenden kurzen Begegnung am Straßenrand mit einem aus Deutschland eingewanderten Amerikaner. Scheint es doch so zu sein , dass auch nach vielen Jahren die Verbindung zu seiner ehemaligen Heimat nie ganz verloren geht.
Ich glaube , dass ist etwas , was den Begriff „Heimat“ sehr gut erklärt ; besser als die nationalistischen
Phrasen unserer Populisten , einschließlich Söder und Seehofer.
Aber das ist ein anderes Thema , damit will ich euch auf euerer wunderschönen Reise nicht behelligen.
Liebe Grüße
Euer Alfred.